No Brainstorming

KREATIV IM HOMEOFFICE – DAS GEHT DOCH NICHT
„Gemeinsam kreativ sein und Brainstorming klappt online und im Homeoffice einfach nicht.“ Auf meine Frage „Habt Ihr es denn mal ausprobiert?“ schaut mich mein Gegenüber verdutzt an: „Ne, natürlich nicht, geht ja nicht.“ Ach so.
Doch, es geht noch schlimmer. Mir läuft regelmäßig ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich Sätze höre wie „Wir machen jetzt unsere Brainstormings einfach online.“ Ich antworte dann gerne mit einem Statement von Thorsten Dirks, Ex-CEO von Telefónica Germany: „Wenn Sie einen Sch…-prozess digitalisieren, dann haben Sie einen Sch…-digitalen Prozess.“ Und schon wieder guckt mein Gegenüber verdutzt.

Warum Brainstorming Sch… ist

Was ist denn nun der Grund, dass ich (Online-)Brainstorming so kritisch sehe? Dazu ein kurzer Ausflug in die Welt des Offline-Brainstormings:

Ich stehe als Moderator vorne am Flipchart und das Team ruft mir Ideen zu. Idee für Idee schreibe ich auf. Mal wortwörtlich, mal so, wie ich sie verstanden habe, mal vergesse ich eine Idee oder verwerfe sie, weil ich sie nicht mag oder blöd finde und notiere sie nicht.

Dazu kommt, dass ich mich als Moderator nicht auf das Moderieren konzentrieren kann, denn ich schreibe ja schon die Ideen auf das Flipchart. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass immer dieselben Pappenheimer Ideen reinrufen und die anderen sich zurückhalten. Dieses Problem verschärft sich sogar noch mal in der remote Zusammenarbeit. Warum das so ist, lesen Sie in meinem Blogartikel zur Lautsprecher-Falle. Diese Falle lässt sich abmildern, wenn ich als Moderator wirklich nur moderiere und jede*r die eigenen Ideen auf Zettel schreibt und an die Pinnwand klebt. Das ist schon mal besser, doch so richtig dynamisch ist es nicht. Und auf den Ideen der anderen baut es auch nicht auf. Stattdessen sind jetzt alle mehr mit Schreiben und Kleben beschäftigt.
 

Mein Tipp: Brainwriting

Ein kreativer Prozess wird gut und ertragreich, wenn viele Ideen in kurzer Zeit produziert werden, wenn die Ideen aufeinander aufbauen und wenn alle sich gleichberechtigt und ungefiltert einbringen können. Da ist Brainstorming leider nur bedingt geeignet.

„Ja, was soll ich denn dann machen?“, fragen Sie jetzt. Gute Frage, hier meine Antwort: Brainwriting. Kurze Vorwarnung: Der Brainwriting-Prozess selbst ist überhaupt nicht spektakulär, kein ekstatisches Rausschreien der genialsten Ideen, kein buntes Post-it-Kunstwerk, sondern Stillarbeit. Dafür sind die Ergebnisse spektakulär.

Brainwriting ist die konsequente Fortführung des Ideenaufschreibens. Brainwriting beseitigt die Nachteile des beschriebenen Brainstorming-Prozesses und fügt noch ein paar Vorteile hinzu.
 

108 Ideen in 30 Minuten

Ich mag die Brainwriting-Methode „6-3-5“ sehr. Mit dieser lassen sich in einer halben Stunde über 100 (in Worten: hundert) Ideen produzieren und die Lauten und die Stillen können sich gleichermaßen einbringen.

Die 6-3-5-Methode ist schnell erklärt: 6 Menschen schreiben zu einer Fragestellung je 3 Ideen auf und reichen ihre jeweiligen Ergebnisse dann 5-mal weiter. So können alle in jeder Runde auf den bereits gesammelten Ideen aufbauen. Nach und nach entstehen auf 6 Blättern 3 Spalten und 6 Zeilen voller Ideen, also 6x3x6=108 Ideen.

Sieht so aus, als ob das ein guter Prozess ist, den man digitalisieren darf, oder? Doch Vorsicht! Bitte nicht platt übertragen, denn sonst landen wir wieder in der Virtuellen-Kaffeeküche-Falle. Es ist nicht damit getan, aus den Blättern jetzt einfach pdfs zu machen und diese rumzuschicken, damit jeder mal was einträgt.

Kreativ sein im Homeoffice: Geht. Wirklich. Gut.

Es lohnt sich, zu prüfen, wie sich digitale Tools für Brainwriting sinnvoll einsetzen lassen, um so die Vorteile des Digitalen zu entfalten. Mein Vorschlag für eine solche 6-3-5 Session online: Basteln Sie sich eine Vorlage in einem Tabellen-Tool wie Excel oder auch Google Tabellen. Wichtig: Achten Sie darauf, dass alle in Ihrem Team gleichzeitig auf dasselbe Dokument zugreifen können. Erstellen Sie für jeden Teilnehmenden eine Tabelle mit 6 Zeilen und 4 Spalten (Name, Idee 1, Idee 2, Idee 3) und schreiben Sie über die Tabelle die Fragestellung wie z. B. „Wie können wir unsere Kunden an Weihnachten positiv überraschen?“.

In einer Videokonferenz arbeiten Sie zusammen mit Ihrem Team eine halbe Stunde an den Ideen: 5 Minuten pro Zeile für 3 Ideen, dann zum nächsten Arbeitsblatt springen und wieder 3 Ideen eintragen. Wenn Sie möchten, können Sie im Hintergrund leise Musik abspielen, es gibt diverse Playlists namens „Perfect Concentration“ oder „Deep Focus“.

Am Ende haben Sie die erwähnten 108 Ideen zusammen und können mit diesen dann weiterarbeiten. Natürlich können sich Ideen auch mal doppeln oder jemand füllt anstatt 3 nur 2 Ideen aus. Dann sind es vielleicht 90 Ideen, immer noch eine tolle Ausbeute für eine halbe Stunde.

Fazit: Brainwriting ist ein richtig guter Einstieg in größere kreative Prozesse und ein gutes Tool, um schnell viele Lösungsansätze oder Ideen zu produzieren, z. B. wenn Sie einen kreativen Namen für ein Produkt suchen oder wenn Sie überlegen, wie Sie Ihren Kunden mal eine etwas andere Weihnachtspost zusenden.
 

Warum 6-3-5 sogar gut für den Teamgeist ist

Sie können Brainwriting gemeinsam in der Videokonferenz durchführen, also alle gleichzeitig. Oder Sie arbeiten asynchron. Beim asynchronen Ansatz hat jede*r die Aufgabe, bis zu einem festgelegten Termin Runde für Runde auszufüllen.

Ich empfehle das gemeinsame synchrone Erarbeiten im Rahmen einer Videokonferenz. Denn im Miteinander entsteht genau die kreative Dynamik, die viele Führungskräfte und Teams gerade jetzt so vermissen. Was viele unterschätzen: Für ein Team ist es ein sehr erhabenes Gefühl, in so kurzer Zeit gemeinsam so viele Ideen produziert zu haben. Das macht stolz und ist für den Teamzusammenhalt und die Motivation im Team Gold wert.

Darüber hinaus haben Sie bestimmt ein paar nette Anekdoten produziert. Denn bei 100 Ideen werden nicht nur tatsächlich hilfreiche und umsetzbare Ideen dabei sein, es sind auch immer verrückte und abgefahrene Einfälle der Kolleg*innen dabei, die allen auch Tage später noch ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Wenn Sie also Lösungen für ein Businessproblem finden wollen und dabei auch noch was fürs Team tun wollen, laden Sie demnächst einfach zur halbstündigen Brainwriting-Session ein. Ihr Team wird es Ihnen danken. Versprochen!
 

Und Sie?

Welche Kreativitäts-Tools nutzen Sie mit Ihrem Team virtuell? Was haben Sie schon ausprobiert?

Schreiben Sie mir gerne von Ihren Erfahrungen und sagen Sie Bescheid, wenn Sie kreative Ideen für Ihr nächstes Team-Event brauchen. Das findet sich.

Lassen Sie uns miteinander sprechen